Politischer Salon

Politische Diskussion

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Samstag, Januar 06, 2007

Religiöse Fanatiker oder Freiheit - Schlachtfeld Evolutionslehre

Unbemerkt von den meisten Menschen findet zur Zeit der Krieg um unsere Freiheit statt. Unsere Freiheit, das sind unsere Rechte nach eigenen Vorstellungen zu leben, die Bindung staatlicher Gewalt an das Recht, unsere demokratischen Rechte und die Tatsache, daß wir in einer Gesellschaft leben, in der es normal ist, daß Menschen verschiedener Meinung sein können.
Fanatiker jeder Art wollen genau das zerstören. Sie meinen, daß ihr Glaube so gut und überlegen ist, daß sie dafür andere Meinungen unterdrücken können, damit möglichst am Ende alle das Gleiche denken und tun. Sie haben keinen Respekt vor der Privatsphäre, und wollen bis in die Schlafzimmer aller Menschen hineinregieren. Sie verachten Demokratie und Rechtsstaat.
Unsere Freiheit wurde einstmals gegen absolute Monarchen erstritten. Liberale Bürgerrechte gehen vor allem auf Denker des 18. Jahrhunderts zurück, die über Gewaltenteilung, Rechtsstaat, Gleichheit vor dem Gesetz und Freiheit schrieben. Und wie diese Freiheitsrechte aussehen müssen, das lernten wir immer dann, wenn Kommunisten, Faschisten oder Islamisten sie angriffen. Und jedes Mal konnten die Fanatiker es ausnutzen, daß den meisten Bürgern nicht klar war, was auf dem Spiel steht, wenn sich extreme Weltanschauungen formieren.
Der neue Krieg um unsere Freiheit wird vordergründig auf dem Boden der Wissenschaft ausgetragen, und deshalb meinen viele Menschen, es ginge sie nichts an. Aber wenn christliche Fundamentalisten mit Kreationismus und Intelligent Design die Evolutionslehre bekämpfen, dann geht es um nichts weniger, als darum, uns unsere Freiheit zu nehmen, kritisch zu denken. Und der Hebel, den die Fanatiker hier verwenden, wird so angesetzt, daß man zuerst die Wissenschaft in Zweifel setzt, um dann die Menschen schutzlos den Glaubenssätzen auszusetzen, die die Fundamentalisten vorgeben. Es wäre naiv, die Breitenwirkung dieser Taktik zu unterschätzen. Natürlich läßt sich kein Mensch mit naturwissenschaftlichen Kenntnissen, der seinen kritischen Geist nutzt, vom Kreationismus aufs Glatteis führen. Aber die meisten Menschen sind eben nicht naturwissenschaftlich interessiert und geschult, und sie können durchaus darin getäuscht werden, daß Kreationisten und Wissenschaftler eine gleichwertige Debatte führen. Ist es dann erst gelungen, ins allgemeine Denken einzuführen, daß die Bibel mehr ist als ein Glaubensbuch, können geschulte Propagandisten Menschen auch dazu bringen, es für plausibel zu halten, daß man Gesetze und Verhaltensregeln im Alltag aus der Bibel ableitet. Wohlgemerkt, so aus der Bibel ableitet, wie die Fundamentalisten es vorgeben. Vergleichbares ist im Iran und in Afghanistan abgelaufen, wo die Islamisten sich erst einen Platz als Instanz beim politischen Kampf gegen das alte Regime oder ausländische Einflüsse erstritten, dann die Deutungshoheit gewannen und am Ende diktatorische Macht.
Der gutgläubige Mensch könnte jetzt fragen: „Na, warum lassen wir nicht einfach die Meinungen streiten, die bessere Ansicht wird gewinnen?“ Oder: „Wenn wir das mit Freiheit und Toleranz ernst nehmen, dann muß da ja auch ein Platz für religiöse Fundamentalisten in unserer Gesellschaft sein.“ Zum letzteren: die Freiheit des einzelnen endet da, wo die Freiheit des anderen anfängt. Fundamentalisten bedrohen die Freiheit anderer, und genau da muß ihre eigene Freiheit enden. Wenn Familien von Fundamentalisten die eigenen Kinder so indokrinieren, daß diese nicht mehr frei entscheiden können, wie ihr eigenes Leben aussehen soll, dann ist das bereits ein Problem. Schulen der Fundamentalisten sind nicht akzeptabel. Und wenn Fundamentalisten Einfluß auf Schulbücher nehmen, wenn ihre Organisationen Druck ausüben können, wenn wegen ihnen Kliniken schließen müssen, weil in diesen Einrichtungen legale Abtreibungen durchgeführt werden, wenn Fundamentalisten versuchen, Filmaufführungen und Bucherscheinungen zu verhindern, dann ist muß ihre Freiheit unterdrückt werden zur Sicherung der Freiheit aller.
Was aber den Streit der Meinungen angeht: einen fairen Wettstreit kann es nur zwischen gleichwertigen Ansichten geben. Kreationismus ist aber ein Glaube, es ist Teil einer Religion, und es läuft außerhalb des logischen Denkens und der experimentell gestützen Forschung. Die Evolutionslehre hingegen stützt sich auf der Diskussion experimenteller Ergebnisse und auf logisches Denken. Zur Wissenschaft gehört die Selbstkritik dazu, auch die Diskussion eigener Schwächen. Genau das macht die Wissenschaft für Weltanschauungen wie den Kreationismus angreifbar, bei dem Selbstkritik nicht stattfindet.
Die Diskussion über die Evolution kann sehr tief und kompliziert geführt werden, aber damit wird man bereits dem Kreationismus nicht gerecht. Im Grunde geht es um exakt zwei Standpunkte: ist das Leben auf dieser Erde geschaffen worden oder ist es zufällig entstanden. Wurde es geschaffen, gibt es auch einen oder mehrere Schöpfer. Wirklich zwingend ist diese Theorie aber nur, wenn danach der Schöpfer selbst nicht einfach eine andere Lebensform von einem anderen Planeten ist, bei der sich automatisch die Frage nach Schöpfung oder Evolution erneut stellt, sondern ein übernatürlicher Schöpfer. Das ist automatisch ein Gott oder Götter. Dies zu leugnen, mag dann zwar eine bequeme Taktik sein, vorzutäuschen, man wolle wertneutral Fragen diskutieren. Aber es läuft automatisch auf Gott oder Götter als Schöpfer hinaus, auf irgendeine Form übernatürlicher Macht mit schöpferischem Antrieb. Das Problem einer solchen Ansicht ist, daß es keinen experimentellen Beleg für eine übernatürliche, schöpferische Macht gibt. Es gibt auch keine Lücke in dem wissenschaftlichen Gedankengebäude, die man nur dadurch schließen kann, daß es eine übernatürliche Macht gibt. Niemand hat es gesehen oder gemessen und niemand hat es gebraucht, um etwas Vorhandes zu erklären. Damit braucht man auch nicht die absurde Diskussion zu führen, es gebe zwar keinen Beweis für, aber auch keinen Beweis gegen Gott. Den Beweis gegen etwas braucht man nur dann, wenn eine Anfangsplausibilität für etwas besteht. Diesen Anfangsverdacht für einen oder mehrere Götter haben wir aber so wenig, wie wir einen für Feen, für Schneewittchen oder Rübezahl haben. Kein Mensch käme hier auf die Idee zu sagen, man dürfe nicht behaupten, daß sie nicht existieren. Gott existiert in gleicher Weise nicht, wie Feen nicht existieren. Wer dem widerspricht, der muß Beweise liefern, bevor überhaupt die Frage zu einer der Wissenschaft werden kann.
Auf welcher Basis steht nun demgegenüber die Evolutionslehre? Zunächst mal: daß das Leben zufällig entstanden ist und sich dann auch nach Regeln des Zufalls weiterentwickelt hat, ist eine Überlegung, die sich zwingend ergibt, weil diese Ansicht ohne weitere Annahmen auskommt. Diese Ansicht erfordert nichts weiter, als daß die Naturgesetze für alles gelten, ohne Ausnahme. Alles, was man hier verlangen darf, ist der Nachweis, daß die Entwicklung, die wir hier behaupten, möglich ist. Sie ist es, denn sie ist erfolgt. Leben existiert, es ist vielgestaltig. Es basiert auf Erbgut, das an Nachkommen weitergegeben wird. Das Erbgut kann sich verändern (mutieren), was jedes genetische Labor bestätigen kann, und die Veränderungen führen zu veränderten Eigenschaften der Lebensform. Zugleich erleben wir tagtäglich, daß Mitglieder einer Art verschieden erfolgreich darin sind, überlebende Nachkommen zu haben und so eine ständige Auswahl von Leben stattfindet, die bestimmtes Erbgut fördert und anderes aussterben läßt. Die wenigen Sätze hier beschreiben eine Evolutionslehre, und bereits in dieser einfachen Form, die in jedem Punkt experimentell bewiesen ist, widerspricht sie der Idee eines Lebens aus der Hand eines Schöpfers. Man braucht aber dem Trick der Kreationisten nicht zu folgen, sich daran festzubeißen, daß man die Evolutionslehre genauer festlegen kann, daß es dabei verschiedene Theorien geben kann, und daß eine davon die Neodarwinistische Evolutionstheorie ist, die sich zwar als Lehrmeinung durchgesetzt hat, die aber durch berechtigte Kritik auch einer ständigen Fortentwicklung unterliegt Es ist erwiesen, daß das Leben sich nach gewissen Gesetzmäßigkeiten entwickelt, daß Mutation und Auswahl die Entwicklung und den Bestand von Arten steuern, und daß das Leben sich über lange Zeiträume verändert. Wie nun genau die Evolutionslehre zu formulieren ist, ist Thema der Wissenschaften. Ob es Evolution gibt, braucht man hingegen nicht mehr zu diskutieren – es ist bewiesen. Gefordert ist damit daher nicht der krampfhafte Versuch, Kreationisten zu beweisen, daß sie eine Glauben vertreten, der der wissenschaftlichen Erkenntnis widerspricht, sondern zu hinterfragen, welche dunklen Ziele Kreationisten mit ihrem Vortäuschen einer Wissenschaftsdiskussion verfolgen.